Themenwoche "Entlang der Ems - unser Wasser"

Die Ems und ihre Nebenflüsse sind in keinem guten Zustand. Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert das. Sie versucht, mehr Gewässerschutz für die Region einzuklagen. Auch das Grundwasser, aus dem wir unser Trinkwasser gewinnen, ist stark belastet. Was sind die Ursachen? Und was die Lösungen? Wir sprechen mit der Landwirtschaft, dem Umweltschutz, Fachleuten und Wassersportlern aus der Region.

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Den Flüssen in der Ems-Region geht es nicht gut. Deshalb klagt die Deutsche Umwelthilfe gegen die Länder NRW und Niedersachsen. Die Umwelthilfe möchte erreichen, dass die Länder mehr tun, um die Flüsse, Bäche und Seen in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen. Das heißt: Im Wasser sind so viele Tiere und Pflanzen, wie es die Natur an dieser Stelle vorsieht. Spätestens in vier Jahren (2027) soll das Ziel das erreicht sein. So schreibt es ein EU-Gesetz vor. Eine RADIO RST-Recherche hat ergeben: Im Kreis Steinfurt erreicht bislang kein einziger größerer Bach oder Fluss den guten Zustand.

Ökologischer Zustand der Gewässer im Kreis Steinfurt | Quelle: elwasweb.nrw.de© elwasweb.nrw.de
Ökologischer Zustand der Gewässer im Kreis Steinfurt | Quelle: elwasweb.nrw.de
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Ursachen sind menschengemacht

Und so sieht es fast überall entlang der Ems in NRW und Niedersachsen aus. Das liegt daran, dass wir Menschen die Flüsse stark verändert haben. Uferstreifen wurden umgepflügt, Flussläufe begradigt, Wasser aufgestaut - um Mühlen zu betreiben, den Fluss als Transportweg zu nutzen oder Ackerfläche zu gewinnen. Zusätzlich belasten Gülle und Spritzmittel aus der Landwirtschaft die Gewässer. Weitere Schadstoffquellen sind Abwasser aus Kläranlagen und der Industrie. Dazu kommt der Klimawandel: In heißen Sommern ist weniger Sauerstoff im Wasser. Im Extremfall ist es möglich, dass Gewässer umkippen und Fische sterben - so wie im Aasee in Münster vor einigen Jahren.

Die Ems bei Greven© RADIO RST
Die Ems bei Greven
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Grundwasser mit Nitrat verunreinigt

Unser Trinkwasser gewinnen wir in der Region fast überall aus Grundwasser. Es befindet sich in riesigen Wasserspeichern tief unter der Erde. Auch das Grundwasser bei uns ist zu großen Teilen belastet, mit Spritzmitteln und Gülle aus der Landwirtschaft. Die Deutsche Umwelthilfe verklagt die Länder NRW und Niedersachsen auch auf mehr Schutz für das Grundwasser. Der Chef der Deutschen Umwelthilfe, Sascha Müller-Kraenner:

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Gelangt Nitrat in unseren Körper, wandelt es sich in Nitrit um. Das ist gesundheitsschädlich und für Säuglinge sogar lebensgefährlich. Die Wasserwerke sind in der Lage, Nitrat herauszufiltern. Das macht das Trinkwasser teurer. Dabei gelten in der ganzen EU strenge Grenzwerte für das Grundwasser. Im Kreis Steinfurt sind die an vielen Stellen seit Jahrzehnten überschritten. Genauso sieht es in anderen landwirtschaftlich geprägten Regionen aus.

In den roten Bereichen ist der Grenzwert für Nitrat im Grundwasser überschritten (2013-2018)| Quelle: elwasweb.nrw.de©
In den roten Bereichen ist der Grenzwert für Nitrat im Grundwasser überschritten (2013-2018)| Quelle: elwasweb.nrw.de
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Strengere Regeln für Landwirtschaft

Die Lösung ist weniger und vorsichtigeres Düngen. Die Regeln dafür wurden mehrfach verschärft. Auch, weil Deutschland von der EU eine Millionen-Strafe drohte. Albert Rohlmann ist der Vorsitzende des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes im Kreis Steinfurt. Er sagt, heutzutage werde der Nährstoffbedarf der Pflanzen genau berechnet, um nicht zu viel zu düngen.

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Die Schadstoffe aus der Gülle versickern langsam im Boden und kommen teilweise erst nach Jahrzehnten im Grundwasser an. Daher wird es noch dauern, bis klar ist, wie sich die strengeren Düngevorschriften flächendeckend auf das Grundwasser auswirken.

Folgen für Trinkwasser

Die Wasserversorger im Kreis Steinfurt haben die Nitratwerte genau im Blick. Die meisten Förderbrunnen in der Region liegen an Stellen, wo bislang keine größeren Mengen im Grundwasser angekommen sind. Bei den Stadtwerken Emsdetten und Greven zum Beispiel, liegt das Brunnenwasser unter dem Grenzwert. Beim Wasserversorgungsverband Tecklenburger Land (WTL) liegen einzelne Brunnen beim Nitrat über dem Grenzwert. Das Wasser aus diesen Brunnen wird mit anderem, unbelastetem Wasser vermischt, um so die Werte einzuhalten. Für die Wasserversorger sei es wichtig, dass das Grundwasser möglichst rein und unbelastet ist, sagt Ralf Steinbrink vom WTL:

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Das am besten überwachte Lebensmittel ist Leitungswasser.© Monique Wüstenhagen/dpa-tmn
Das am besten überwachte Lebensmittel ist Leitungswasser.
© Monique Wüstenhagen/dpa-tmn

Landwirtschaftende kooperieren

Die Wasserversorger und Landwirtschaft arbeiten zusammen, um das Grundwasser zu schützen. Die Landwirtschaftenden düngen und spritzen rund um die Brunnen weniger als erlaubt. Dafür bekommen sie Geld, um den geringeren Ertrag zu kompensieren. Zusätzlich bezahlen die Wasserversorger im Kreis Steinfurt Fachleute bei der Landwirtschaftskammer, die zum Thema Düngen und Wasserschutz beraten. Im Jahr 2021 hat das insgesamt mehr als eine Million Euro gekostet. Die Stadtwerke Emsdetten und Greven und der Wasserversorgungsverband Tecklenburger Land sagten auf RADIO RST-Anfrage, dass die Maßnahmen erfolgreich sind. Sie sind überzeugt, dass sie damit die Nitratwerte auch in Zukunft im Griff behalten.

Schadstoffe aus dem Abwasser

Wenn wir duschen, die Toilette oder die Waschmaschine benutzen, produzieren wir Schmutzwasser. Auch das hat einen Einfluss auf die Flüsse und Bäche in der Region. Unser schmutziges Wasser fließt durch Kanalisation bis zur Kläranlage. Dort wird in einem aufwändigen, dreitstufigen Verfahren gereinigt. Das gereinigte Wasser fließt dann zurück in die Natur, in Emsdetten zum Beispiel in die Ems. Hundertprozentig sauber wird das Wasser in der Kläranlage jedoch nicht. Einige Schadstoffe lassen sich nicht oder nur teilweise herausfiltern, zum Beispiel Chemikalien aus Putzmitteln, Duftstoffe oder Medikamente wie Antibiotika oder bestimmte Schmerzmittel.

Medikamente schaden Fischen

Diese sehr kleinen Partikel schaden den Tieren und Pflanzen in unseren Gewässern. Für das Schmerzmittel Diclofenac zum Beispiel ist nachgewiesen, dass es die Nieren von Fischen schädigt. Diclofenac ist unter anderem in der viel verkauften Voltaren-Salbe. Die Lösung ist moderne Technik in der Kläranlage: eine zusätzliche, vierte Reinigungsstufe. In Greven gibt es die schon. Dort werden nach Informationen der Stadt 84 Prozent der Medikamente herausgefiltert. Vorher waren es nur 26 Prozent. Der Umbau der Kläranlage in Greven hat 4,5 Millionen Euro gekostet.

Tiere und Pflanzen im Wasser leiden unter den Mikroschadstoffen© pxhere.com
Tiere und Pflanzen im Wasser leiden unter den Mikroschadstoffen
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Umrüstung der Kläranlagen

Anders als in der Schweiz, ist in Deutschland die zusätzliche, vierte Reinigungsstufe bislang nicht vorgeschrieben. Nach Auskunft der Bezirksregierung Münster ist sie aktuell für jedes vierte Klärwerk in der Region geplant, unter anderem in anderem in Lengerich, Püsselbüren, Borghorst, Leer und Neuenkirchen.

Renaturierung der Flüsse

Um den ökologischen Zustand der Flüsse und Bäche zu verbessern, ist es notwendig, sie wieder natürlich zu gestalten. Begradigte Flüsse wieder in Schleifen verlaufen zu lassen, mit breiten Uferstreifen. Renaturierungen, wie an der Ems in Hembergen sind teuer und aufwändig. Der Umbau des zwei Kilometer langen Teilstücks der Ems hat mehr als sechs Millionen Euro gekostet. Doch das lohne sich, sagt Henry Tünte. Er ist beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) für den Gewässerschutz zuständig.

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Renaturierte Ems bei Hembergen mit Steilufer© Bezirksregierung Münster
Renaturierte Ems bei Hembergen mit Steilufer
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Grubenwasser versalzte Ibbenbürener Aa

Die Ibbenbürener Aa war durch den Bergbau besonders belastet. Aus der Zeche in Ibbenbüren floss jahrzehntelang Grubenwasser in die Aa. Das Wasser aus den Stollen enthielt extrem viel Salz. So viel, dass die meisten Fisch- und Pflanzenarten abstarben. Über die Aa floss das Salz in die Ems. Das war legal. Wir Menschen brauchten die Energie aus der Steinkohle und nahmen die Umweltschäden in Kauf.

Aufbereitungsanlage in Gravenhorst im Bau

Seit fünf Jahren ist die Zeche nun Ibbenbüren geschlossen. Bis voraussichtlich 2025 tritt kein Grubenwasser mehr aus. Inzwischen habe sich die Qualität der Aa deutlich verbessert, sagte uns ein Sprecher des Kreises Steinfurt. Es ist wieder mehr Leben im Fluss. Die Zechen-Firma RAG baut zurzeit eine Aufbereitungssnlage für das Grubenwasser in Gravenhorst. Die sei in der Lage, künftig einen Großteil der Schadstoffe herauszufiltern, bevor das Wasser in die Aa fließt. Umweltverbände in der Region und die Bürgerinitiative Bergbaubetroffener Ibbenbüren befürchten, dass der Lebensraum Aa unter den geplanten Einleitungen leidet. Sie haben am Verwaltungsgericht Münster Klage eingereicht.

Wie geht es weiter?

Deutschland ist nach der EU-Wasser-Rahmen-Richtlinie (WRR) verpflichtet, seine Flüsse, Bäche und Seen und das Grundwasser bis zum Jahr 2027 in einen guten Zustand zu versetzen. Ein Sprecher der Unteren Wasserbehörde des Kreises Steinfurt sagte uns, dass das an den meisten Flüssen und Bächen nicht zu schaffen sein wird. An vielen Stellen fehlten Renaturierungen. Solche Projekte sind häufig teuer und aufwändig, weil viele Grundstückseigentümer beteiligt sind. Auch bei den Kläranlagen braucht es noch einige Jahre, bis mehr Anlagen über die vierte Reinigungsstufe verfügen.

Grundwasser braucht Zeit

Auch das Grundwasser werde an vielen Stellen im Kreis Steinfurt den guten chemische Zustand im Jahr 2027 verfehlen, sagte uns ein Sprecherin des Landesamtes für Natur und Umwelt. Oft brauche es Jahrzehnte, bis sich das Grundwasser sich erholt. Wie sie sich die zuletzt Ende 2022 verschärften Düngeregeln auswirken, werde sich noch zeigen. Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe fordern mehr und schnellere Maßnahmen um die Gewässer zu schützen. Auch der Gewässer-Experte Henry Tünte vom BUND möchte mehr Tempo:

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Welches Tempo die Bundesländer beim Gewässerschutz künftig vorlegen, wird auch von der Klage der Deutschen Umwelthilfe abhängen, die aktuell beim Landesverwaltungsgericht in Lüneburg liegt. In der Vergangenheit hatte die Umwelthilfe mit ähnlichen Klagen, zum Beispiel beim Feinstaub in Städten, durchaus Erfolg.


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