Lockern oder nicht?
Veröffentlicht: Montag, 01.03.2021 11:18
Blick in die Wirtschaft: Wie lange hält der Mittelstand den Lockdown noch durch?

Die nächste Bund/Länder-Runde zum Lockdown dreht sich morgen um die Frage „Lockern oder nicht?“ Kanzlerin Merkel und Bayerns Ministerpräsident Söder warnen vor zuviel Lockerungen, wegen der Virus-Mutationen. Zwei Drittel der Menschen in Deutschland sind dagegen inzwischen für mehr Freiheiten – trotz wieder gestiegener Corona-Zahlen. Die Wirtschaft wartet schon lange auf eine klare Öffnungsperspektive, sagt Joachim Brendel von der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen.
Friseur-Salons haben seit gestern wieder geöffnet – natürlich mit Hygienekonzept. Viele andere warten händeringend auf das „Go“ aus der Politik. Hans Hund von der Handwerkskammer rechnet morgen fest mit Lockerungen.
Mancher kleine Handwerker von nebenan steht nach der langen Durststrecke am Rande der Existenz. Viele haben schon alles reingebuttert, was ging, sagt Hund.
Auch auf der Arbeitnehmerseite gibt es Existenzängste, Stichwort Kurzarbeit - oder, schlimmer noch: Arbeitslosigkeit. Die Einen trifft es, die anderen verschont es. Dieser uneinheitliche Befund zieht sich durch die ganze regionale Wirtschaft - und damit durch die ganze Gesellschaft. Was im Handwerk die Friseur-Salons, Kfz-Werkstätten oder Laden- und Messebauer sind, sind im Handel vor allem die Geschäftsleute vor Ort, sagt Joachim Brendel.
Selten waren sich IHK und Handwerkskammer so einig in ihrem Befund zur Lage: Sehr viel länger geht es nicht. Joachim Brendel fordert klare Ausstiegs-Szenarien für Industrie und Handel, damit Unternehmen endlich wieder Planungssicherheit haben. Hans Hund sieht es genauso.
So schlimm es für die Einen sein mag, Anderen geht es überraschend gut - auch da sind IHK und HWK sich einig. Im Handwerk gilt das für alle, die mit Bau und Bauausbau zu tun haben, sagt Hund. Brendel sieht nicht alle Sonnenseiten hier bei uns.
Welche Zukunftsaussichten lassen sich aus einer derart uneinheitlichen Lage ableiten? Schon seit Wochen läuft die Diuskussion über eine mögliche Pleitewelle. Dass sie kommt, da sind die Fachleute sich einig - in allem anderen nicht.
Wieviele Unternehmen und Privatleute die Corona-Krise überstehen? Schwer zu beantworten - genauso wie die Frage, ob eine Pleitewelle kommt. Wie lange hält sie noch, die viel-beschworene Stabilität des Mittelstands in unserer Region? Nach einer wirklich guten Zeit kam Corona.
Corona hat alles verändert
Auf teilweise Vollbeschäftigung, gute Geschäfte und niedrige Arbeitslosenzahlen folgten in vielen Bereichen Kurzarbeit, Perspektivlosigkeit und Verschuldung. Droht uns in diesem Jahr möglicherweise eine Pleitewelle, nur hinausgezögert durch staatliche Überbrückungs-Hilfen? Schwer einzuschätzen, sagt Rainer Langkamp von der Kreissparkasse Steinfurt.
Schwierige Entscheidung also für Banker in Corona-Zeiten: Rette ich mit diesem Kredit dieses Unternehmen oder platzt er wegen einer Insolvenz und das Geld ist weg? Skeptiker sehen Risiken vor allem für Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken, weil sie viele kleinere Firmenkunden haben. Fallen die staatlichen Hilfen weg, komme eine Pleitewelle. Langkamp sieht aktuell noch keine nennenswerten Kreditausfälle.
Also kein Grund zur Sorge? Im Gegenteil: Dieses und auch die kommenden Jahre beschreibt der Sparkassenchef als „außergewöhnliche Herausforderung“. Immerhin: Für Hubert Overesch von der Volksbank Münsterland Nord bleibt es erstmal dabei: Unser regionaler Mittelstand insgesamt ist ziemlich krisenfest.
Trotzdem haben beide Banken sich abgesichert und mehr Rücklagen gebildet – man weiß ja nie. Jetzt hoffen wir mal, dass es mit den Impfungen voran geht und der Lockdown bald vorbei ist, bevor es für so Manchen zu spät ist.