Als Vergewaltigung in der Ehe verboten wurde

Bis 1997 war Vergewaltigung in der Ehe keine Straftat. Auch als das Gesetz verabschiedet wurde, gab es Widerstand im Bundestag. Darüber sprechen wir am Weltfrauentag.

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Das ausschlaggebende Wort: "Außerehelich"

Das Jahr ist 1997. Im Kino läuft Titanic, in den Charts die Spice Girls und die Backstreet Boys. Die Gesellschaft ist offen, aufgeklärt, gleichberechtigt. Der deutsche Bundestag hat eine Präsidentin, Schleswig-Holsteins eine Ministerpräsidentin. Währenddessen wird in der Politik darüber diskutiert, ob Vergewaltigung in der Ehe künftig strafbar sein wird. Nick Plotz ist Rechtsanwalt in Rheine - er erklärt, wie die Gesetzeslage zu dieser Zeit aussah.

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Im Gesetz wurde die Vergewaltigung also nur als solche bezeichnet, wenn jemand sein Opfer mit Gewalt zum "außerehelichen Beischlaf" gezwungen hat. Es ist für viele kaum vorstellbar, dass Vergewaltigung in der Ehe vor weniger als 25 Jahren noch nicht strafbar gewesen ist. Anni Lütke-Brinkhaus war von 1991 bis 2017 Gleichstellungsbeauftragte der Kreisverwaltung Steinfurt. Sie blickt zurück in die 90er - damals wurde das Thema auch in der Gesellschaft viel diskutiert.

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Viel Widerstand

Dieser Widerstand gegen die Gesetzesänderung zeigt sich auch bei der Abstimmung: Gegen das neue Gesetz sind 138 Abgeordnete - mehr als ein Fünftel des Bundestags. Manche Politiker haben damals auch aufgrund der "Widerspruchsklausel" gegen das Gesetz gestimmt. Diese war nicht mit eingebunden worden. Rechtsanwalt Plotz erklärt, was sie bewirkt hätte.

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Hat 1997 mit "Nein" gestimmt: NRW-Gesundheitsminister Laumann© Privat
Hat 1997 mit "Nein" gestimmt: NRW-Gesundheitsminister Laumann
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NRW Gesundheitsminister Laumann aus Riesenbeck hat im Bundestag gegen das Gesetz gestimmt. Auch ihm ging es um die Widerspruchsklausel. Diese sieht er heute anders. In einem Statement sagt er uns:

"Mir ist heute klar, dass sich Frauen in einer solchen Abhängigkeit befinden können, dass sie eine solche Entscheidung nicht selbstbestimmt treffen und das es deshalb richtig ist, dass die Staatsanwaltschaft bei einer so schlimmen Straftat grundsätzlich tätig wird. Deshalb würde ich heute nicht mehr so abstimmen."

- Karl-Josef Laumann, NRW-Gesundheitsminister

Ein Meilenstein der Gleichstellung

Trotz der Gegenstimmen und des Widerstands wurde das Gesetz am Ende mit einer absoluten Mehrheit verabschiedet. Zu dieser Mehrheit gehört Reinhold Hemker. Er war damals Bundestagsabgeordneter der SPD aus dem Kreis Steinfurt. Und erinnert sich gut an den Moment, als die Abstimmung vorbei war.

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Jubel und Gratulationen nach jahrelanger Arbeit. Besonders die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte lange für die Gesetzesänderung gekämpft. Und das Kämpfen war notwendig - denn es gab über die Jahre viel Gegenwehr. Hinter der Opposition steckt ein ganz bestimmtes Weltbild, sagt Reinhold Hemker. Besonders deutlich wurde das im Jahr 1983. Schon damals haben die Grünen, gerade neu im Bundestag, schon vorgeschlagen, Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe zu stellen.

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Vergewaltigung und Gewalt in der Ehe - bis heute Themen, über die Viele schweigen. Seit 2002 trifft sich im Kreis Steinfurt der runde Tisch häusliche Gewalt. Vertreter der Polizei, verschiedener Beratungsstellen, Politiker und Aktivisten gehören dazu. Mit dabei ist auch die ehemalige Gleichstellungsbeauftrage Lütke-Brinkhaus. Sie berichtet von einem wichtigen Erlebnis bei einer Fachtagung.

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Bundesweites Hilfetelefon: 08000 11 60 16

Bundesweites Hilfetelefon des Weißen Rings: 116 006

Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt Rheine: 05971 800 9292

Frauenberatungsstelle Rheine: 05971 800 7370

Frauenhaus Rheine: 05971 12793

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