Verbotene Methoden? - Vorwürfe gegen Beerbaum
Veröffentlicht: Mittwoch, 12.01.2022 14:53
In einem TV-Format wird Olympiasieger Ludger Beerbaum verdächtigt, verbotene Trainingsmethoden anzuwenden. Verschiedene Parteien haben Stellung bezogen, auch Beerbaum selbst.

- Vorwurf des "Barrens" gegen Olympiasieger Ludger Beerbaum
- Stellungnahme aus Riesenbeck
- Reiterliche Vereinigung und Deutscher Tierschutzbund verurteilen Videomaterial
Verstöße gegen das Tierschutzgesetz sind schlimm und werden im besten Fall bestraft. Momentan gibt es einige Fälle im Reitsport, die für Aufsehen sorgen: Nach der Debatte um den Modernen Fünfkampf – steht jetzt Springreiter Ludger Beerbaum aus Riesenbeck nicht gut da.
Der Fernseh-Sender RTL hat Videomaterial gezeigt, wo Beerbaum angeblich eine verbotene Trainingsmethode anwendet. Bei dem sogenannten „Barren“ wird dem Pferd beim Springen eine Stange vor die Beine geschlagen, sodass es beim nächsten Sprung die Beine höher nimmt, aus Angst, noch mal geschlagen zu werden. Häufig kommen auch Stangen mit Noppen oder Stacheln zum Einsatz. Auch solche Stangen wurden laut dem investigativen TV-Format gefunden.
Die sehr empfindlichen Pferdebeine drohen beim Barren nicht nur verletzt zu werden, das Pferd wird auch zu unnatürlichen Leistungen gezwungen. Experten gehen außerdem davon aus, dass die Tiere Schmerzen beim Barren empfinden.
Tierschutzgesetz verbietet "Barren"
Aus ethischer Sicht ist das natürlich absolut inakzeptabel und vom deutschen Tierschutzgesetz verboten. In diesem steht:
„Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“
Auch in den ethischen Grundsätzen der Reiterlichen Vereinigung (FN) wird ein deutlicher Umgang mit unsportlichem Verhalten wie diesem beschrieben:
„Die Nutzung des Pferde (…) muss sich an seiner Veranlagung und seinem Leistungsvermögen orientieren. Die Beeinflussung des Leistungsvermögens durch (…) nicht pferdegerechte Einwirkung des Menschen ist abzulehnen und muss geahndet werden.“
Auch der Deutsche Tierschutzbund hat sich bereits zu dem Fall geäußert:
„Barren ist tierschutzwidrig. Das Pferd erleidet dabei Schmerzen und Angst. Es wird durch Gewalt zu einer besseren Leistung gezwungen, die es unter normalen Bedingungen nicht zu leisten bereit wäre. Die Fernsehbilder belegen erneut, dass Pferde niemals als Sportgeräte missbraucht werden dürfen. Ludger Beerbaum wurde bereits 2009 mit der Aussage zitiert, erlaubt sei, was nicht gefunden werde. Die zuständigen Behörden müssen jetzt aktiv werden. (…) Möglicherweise ist Beerbaum kein Einzelfall, sondern nur die sichtbar gewordene Spitze eines Eisbergs. Der Fall beweist, wie notwendig es ist, genauer hinzuschauen – nicht nur auf Turnieren, sondern auch in den Ställen und beim Training. Zudem muss endlich eine grundsätzliche Debatte über die Methoden im Reitsport geführt werden und ob diese noch zum olympischen Geist passen.“
Der Tierschutzbund weist außerdem auf die Vorbildfunktion von Spitzensportler:innen hin.
Vom Barren und Touchieren
Das komplizierte: Die Reiterliche Vereinigung verbietet das „Barren“ und sagt ja zum „Touchieren“. Dabei wird das Pferd über dem Sprung nur mit einer leichten Stange berührt. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum „Barren“ sind fließend. «Beim Touchieren handelt es sich um ein fachgerechtes Sensibilisieren des Pferdes durch gezieltes Berühren der Pferdebeine im Sprungablauf», heißt es in den Richtlinien der FN. Die Stangen müssen ein glattes Rundholz - nicht mehr als drei Meter lang und nicht schwerer als zwei Kilo - sein. Das Touchieren dürfe nur durch erfahrene Pferdefachleute angewendet werden.
Stellungnahme von Ludger Beerbaum
Mittlerweile hat Ludger Beerbaum selbst Stellung zu den Aufnahmen und Vorwürfen genommen:
Der Beitrag von RTL extra ist in vielen Punkten nachweislich falsch, verleumderisch und ehrverletzend. Natürlich werden wir juristische Schritte dagegen einleiten. Es ist nicht hinzunehmen, dass heimlich auf meinem privaten Grund und Boden gefilmt wurde. Zu den Vorwürfen gegen mich und mein Team: Das Wohl der Pferde steht bei mir und bei meinem Team an oberster Stelle. Nur ein Pferd, das artgerecht behandelt wird, professionell versorgt und gefüttert ist, trainiert und gemanagt wird, kann sportliche Leistungen erbringen. Die Pferde sind unser Kapital, um das wir uns tagein, tagaus kümmern. Die im Beitrag gezeigten Szenen auf dem Reitplatz haben mit Barren nichts zu tun. Es handelt sich dabei um erlaubtes Touchieren, das von einem erfahrenen, routinierten Pferdefachmann durchgeführt wurde. Der im Video zu sehende Gegenstand erfüllte die Vorgaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung für ein zulässiges Touchieren: nicht länger als drei Meter, maximal zwei Kilogramm schwer. Ich führe meinen Stall als einen offenen Stall, bei dem täglich Besuchergruppen zu Gast sind, Kunden ihr Futter für deren Pferde abholen, auch „Praktikantinnen“ willkommen sind. Hier wird auf offen einsehbaren Plätzen geritten und das tägliche Training absolviert. Es wird nichts Verstecktes, Unerlaubtes gemacht. Die Tatsache, dass die angeblich zwei Jahre andauernde „Recherche“ lediglich vier Szenen aufzeigen konnte, die das Touchieren eines Pferdes zeigen, verdeutlicht, dass diese erlaubte Trainingsmethode bei uns nur sehr selten angewendet wird und nicht Bestandteil der täglichen Arbeit ist.
Hier geht es zu der gesammten Stellungnahme.
Aufarbeitung der Vorwürfe
Die Reiterliche Vereinigung hat sich schon positioniert und das Videomaterial verurteilt.
"Bereits jetzt, unabhängig von dem gezeigten Beitrag, können wir klar sagen, dass der Gebrauch von Vierkantstangen sowie genopptem oder gestacheltem Stangenmaterial inakzeptabel ist und nicht im Einklang steht mit den Grundsätzen des fairen Pferdesports", sagte FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach in einer noch in der Nacht zum Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme des Verbandes.
Schon seit einiger Zeit tauchen immer wieder Vorwürfe gegen verschiedene Reiter auf. Deshalb hat die Reiterliche Vereinigung bereits 2021 Anzeige gegen Unbekannt gestellt und eine Extra-Abteilung eingerichtet. Das Ziel: Die Regeln im Reitsport überprüfen und die Pferde besser schützen. Echte Ergebnisse hat die Vereinigung seit dem nicht vorgelegt und die Anzeige gegen Unbekannt wurde von der Polizei eingestellt. Die Vereinigung hat angekündigt, die Staatsanwaltschaft über den RTL-Beitrag zu informieren, damit diese den Sachverhalt auf Grundlage des Tierschutzgesetzes bewertet.
"Wie wir schon 2020 und 2021 gegenüber RTL zum Ausdruck gebracht, nehmen wir die Vorwürfe sehr ernst. Genau deshalb werden wir das am späten Dienstagabend ausgestrahlte Filmmaterial sorgfältig analysieren und anschließend entsprechende Schlüsse zum weiteren Vorgehen ziehen", sagte Lauterbach.
"Um eine seriöse Beurteilung des Sachverhaltes vornehmen zu können, bedürfe es des gesamten Video- und Beweismaterials, sagte er. «Wir fordern RTL deshalb erneut auf, uns dieses vollständig zur Verfügung zu stellen."
Bereits vor über 30 Jahren war im Stall des bekannten Springreiters Paul Schockemöhle die mittlerweile verbotene Trainingsmethode „Barren“ praktiziert worden. Beerbaum war selbst in den 80igern im Stall Schockemöhle als Bereiter tätig, hat sich allerdings später mit Schockemöhle verworfen.
Wir haben bezüglich dieses Themas mit vielen Tierärzt:innen und Menschen aus dem Pferdesport Kontakt aufgenommen. Viele haben sich nicht zu der Debatte positioniert. Auch der Kreis Steinfurt hält sich zu den Vorwürfen bedeckt.