"Herausfordernde Zeiten": Die Situation der Jugendämter im Kreis Steinfurt
Veröffentlicht: Freitag, 17.01.2025 17:00
Die deutschen Jugendämter haben akute Personalnot und kommen damit den hohen Fällen von Kindeswohlgefährdung nicht mehr hinterher. Man beobachte mit großer Sorge die seit Jahren steigenden Zahlen zu Fällen von Kindeswohlgefährdung, sagt Flößer, Vorsitzende des Kinderschutzbunds in NRW. Wie ist die Situation in unserer Region? Wie gehen die Jugendämter mit den Herausforderungen um? Wie läuft die Nachwuchsförderung? RADIO RST ist diesen wichtigen Fragen nachgegangen.

Auch die Jugendämter im Kreis Steinfurt sprechen von herausfordernden Zeiten, weil unter anderem im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) ein Fachkräftemangel bemerkbar ist und die Fälle und Fallintensitäten zunehmen. Dies belegen auch Zahlen, die die Technische Universität Dortmund zusammenfasst. Demnach hat es bundesweit in 2023 insgesamt 221.429 Gefährdungseinschätzungen gegeben. Dies entspricht einem Anstieg von 8,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Annette Wiggers, Leiterin des Jugendamts der Stadt Rheine, sagt im exklusiven Interview mit RADIO RST:
Von der Entwicklung her kann man schon sagen - weil die Fälle komplexer und auch mehr werden - dass auch die Stressanfälligkeit der Mitarbeitenden höher geworden ist.
Dass die Zahl der Fälle in NRW und auch im Kreis Steinfurt in den vergangenen Jahren anstiegen, hängt auch mit der Sensibilisierung der Gesellschaft zusammen. Die Jugendämter würden unter anderem von Institutionen schneller kontaktiert, sagen Fachleute. Diesen Trend bestätigt uns auch das Jugendamt Greven. Hier heißt es: "Die Problemlagen in den Familien werden teilweise komplexer. Insgesamt sind die Anfragen mehr geworden." Hinsichtlich des Fachkräftemangels meldet uns das Jugendamt Rheine, dass ein Mangel herrscht, auch wenn alle Stellen im Bereich der Sozialen Dienste besetzt sind. Vom Jugendamt Greven heißt es hierzu, dass es aktuell keine Stellen gibt, die nicht adäquat nachbesetzt werden konnten oder nachbesetzt werden können. Das Jugendamt des Kreises Steinfurt, das für insgesamt 20 Städte und Gemeinden zuständig ist, bestätigt auf RADIO RST-Nachfrage, dass es einen Personalbedarf gibt. Allerdings ist zu erkennen, dass sich die Jugendämter im Kreis Steinfurt im NRW-Vergleich - sowohl hinsichtlich der Fallgröße, Fallintensitäten und des Personalmangels - in einer noch recht entspannten Situation befinden.
Über die verschiedenen Herausforderungen haben wir mit Dr. Sabine Ader gesprochen. Sie ist Professorin für Soziale Arbeit, Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere Familienhilfe und Kinderschutz an der FH Münster. Für sie spiegelt unter anderem die gesamtgesellschaftliche Lage die Situation in den Jugendämtern wider: Krisen, Kriege und Probleme wirkten sich auch privat aus und damit auf Kinder und Jugendliche, weshalb die Herausforderungen der Jugendämter und besonders des ASD anstiegen. Dennoch sei die Lage zu bewältigen, so Ader.
Die Jugendämter, auch im Münsterland, sind in einer ausgesprochen herausfordernden Situation, aber es gibt Unterschiede. Wir müssen gucken: Die, die es gut machen, wie kriegen sie es hin?
Positive Aspekte seien, dass die Nachwuchsförderung in den vergangenen Jahren gestärkt wurde und besonders in NRW viel Geld und Arbeit investiert würde, um die Arbeit der Jugendämter zu verbessern. Auch die Jobchancen für Studienabsolventinnen und -Absolventen seien gut, weil es zwar mehr Nachwuchs gebe, jedoch auch mehr Personal benötigt würde. Interessant sei, dass 20 Prozent der Fachkräfte im ASD jünger seien als 30 Jahre, sagt Ader.
Die herausfordernden Zeiten für die Jugendämter sind gleichbedeutend herausfordernde Zeiten für die Träger der freien Jugendhilfe. Sie sind unter anderem dafür da, Kinder, bei denen eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, an Familien zu vermitteln. Wir haben mit Senta Strunk gesprochen, sie ist die Projektleitung der Bereitschaftspflegefamilien der Evangelischen Jugendhilfe Münsterland in Hörstel. Für sie und ihr Team ist eine große Herausforderung in der aktuellen Zeit, genügend Pflegefamilien für Kinder in Not zu finden. Daher spricht sie potenzielle Pflegefamilien ganz direkt an:
Anrufen, E-Mail schreiben, einfach nur sich melden und sagen, 'Ich habe Interesse, können wir mal telefonieren?' Ganz komplikationslos. Wir würden dann alles Weitere in die Hand nehmen und erklären, was wir erklären können.