Brief an Hendrik Wüst

Alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Kreis Steinfurt haben den Brief an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst zur Lage in den Kommunen unterschrieben. Sie fordern Bund und Land zu schnellen Maßnahmen auf, um die beispiellosen Belastungen der letzten Zeit zurückzufahren und ihnen wieder Handlungsspielraum zu geben. Sonst sei die kommunale Selbstverwaltung in Gefahr.

© Wolfgang Pieper, Telgte

Der Brief trägt die Unterschriften aus 355 Städten und Gemeinden in NRW. „Die Summe an aktuellen Herausforderungen überfordert die Kommunen“, heißt es in einer Mitteilung vom Städte- und Gemeindebund dazu. Die Liste der Herausforderungen ist lang: Steuereinnahmen, Wirtschaftskraft und Schlüsselzuweisungen runter, Personalkosten und Zahl der Geflüchteten rauf. "Zusätzlich konfrontieren Bund und Land die Städte und Gemeinden mit neuen Aufgaben wie etwa dem Rechtsanspruch auf Ganztag, ohne die nötigen Mittel bereitzustellen," sagt Präsident Eckhard Ruthemeyer. Vielen drohe die Handlungsfähigkeit. Das können viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Kreis Steinfurt bestätigen.

Die Misere der Kommunen am Beispiel der Gemeinde Westerkappeln

Annette Große-Heitmeyer etwa, die Bürgermeisterin von Westerkappeln, bringt es so auf den Punkt: „Wenn wir den sozialen Frieden hier im Land erhalten wollen, dann sind tiefgreifende Maßnahmen nötig." Große-Heitmeyer, die selbst im Präsidium des Städte- und Gemeindebundes ist, geht davon aus, dass Westerkappeln nächstes Jahr ins Haushaltssicherungskonzept rutscht. Bei einer Blitzumfrage des Städte- und Gemeindebundes haben 40% der Kommunen geantwortet, dass sie nächstes Jahr im Haushaltssicherungskonzept sind, 20% halten es für „sehr wahrscheinlich“.

Alle hätten dann die nächsten Jahre kaum noch Gestaltungsspielraum - bis die Haushalte wieder ausgeglichen sind, denn dazu sind sie gesetzlich verpflichtet.

Und das wegen äußerer Einflüsse, die vor Ort nicht zu beheben seien, sagt Große-Heitmeyer im RADIO RST-Gespräch. Jeden Tag sei das Thema bei ihr auf dem Tisch, viel zu machen sei da nicht. Ein Beispiel: Statt sozialer Projekte im Feuerwehrgerätehaus, die das Zusammenleben in der Gemeinde stärken, werden dort demnächst wohl bald Unterkünfte für weitere Geflüchtete eingerichtet, weil richtiger Wohnraum fehlt. Erste Kolleginnen und Kollegen kämen in ihren Orten nicht mehr darum herum, Turnhallen zu Unterkünften zu machen.

Ohne Hilfe von Bund und Land geht es nicht mehr

Um aus der Finanzmisere herauszukommen, bleibt den Städten und Gemeinden kaum etwas, außer die Grundsteuerern anzuheben – für viele das letzte Mittel. Unter anderem fordern die Kommunen daher

• die Wiederherstellung einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung durch deutliche Erhöhung des Verbundsatzes im Gemeindefinanzierungsgesetz;

• die kurzfristige Ausschöpfung aller fiskalischen und haushaltsrechtlichen Ressourcen, um den Kommunen wieder Handlungsspielräume zu verschaffen, welche die Bezeichnung „kommunale Selbstverwaltung“ auch verdienen;

• den Abbau von Bürokratiehemmnissen;

• den Verzicht auf gesetzliche Regelungen zulasten der Städte und Gemeinden ohne eigene Finanzierungsverpflichtungen des Bundes beziehungsweise des Landes.

Der Brief ist die nächste Stufe, nach dem Brandbrief der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister vor mehr als einem Jahr (05.09.2022): Damals hatten Rheines Bürgermeister Peter Lüttmann und Ibbenbürens Bürgermeister Marc Schrameyer stellvertretend für alle Kolleginnen und Kollegen im Kreis Steinfurt einen offenen Brief an Wüst geschickt, um ihn auf die Überforderung der Städte und Gemeinden hinzuweisen. Es ging im Kern darum, dass die Kommunen immer mehr Geflüchtete aus der Ukraine zugewiesen bekamen - ohne die nötige finanzielle Unterstützung durch Bund und Land.

Seitdem ist vieles dazugekommen, wirkliche Abhilfe bisher jedoch nicht.

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