Familien-Stresstest Corona

Jugendämter sind besorgt

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Im Grunde war es klar – jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Der Corona-Lockdown war ein Mega-Stresstest für die meisten Familien. Das zeigt eine Online-Befragung, die Experten der Uniklinik Münster im Mai und Juni durchgeführt haben. Gut 3200 Eltern mit Kindern im Alter bis zu elf Jahren haben mitgemacht. „Sehr viele haben ausführlich und sehr ehrlich berichtet, was bei ihnen zuhause abgegangen ist,“ sagt Psychologe Marius Janßen von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie.

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Der Corona-Lockdown hat vor allem in Familien mit kleineren Kindern brutal zugeschlagen. Eltern standen von heute auf morgen vor einer völlig veränderten Situation: Die Kinder nicht mehr in der Schule oder im Kindergarten, sie selbst vielleicht in Kurzarbeit oder im Home-Office – auf jeden Fall in einer Doppelbelastung, die so vorher noch keiner kannte. Das bringt einen an die Grenzen, sagt Psychologe Janßen.

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Im Prinzip findet sich alles, was Corona gesellschaftlich an Stress verbreitet, im Mikro-Kosmos Familie wieder. Besonders schlimm wird es, wenn zuhause kaum Platz ist, sagt der Experte.

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Die Schlussfolgerung aus der Studie klingt logisch: Wenn Eltern sich zwischen Job und Kindern „zweiteilen“ müssen, hängt danach meistens der Haussegen schief und oft spielt sich das auf dem Rücken der Kinder ab. Sollte es also nochmal sowas wie einen Lockdown geben – wenn auch nur in kleinerem Maßstab - schlagen die Experten vor, dass Familien, bei denen man schon von Problemen weiß, bevorzugt Betreuung oder Notbetreuung bekommen.

Jugendämter sind besorgt

Für einige Familien hat Corona einen Druck verschärft, der schon vorher da war. Wenn beispielsweise das Frauenhaus Osnabrück eine Verdopplung der häuslichen Gewalt meldet, dann kommt das nicht von ungefähr. Die Jugendämter kennen die Adressen, wo man besser genauer hinsieht, damit nichts passiert. Stefan Jüttner-von der Gathen vom Jugendamt der Stadt Rheine weiß, was das heißt, wenn da noch Kurzarbeit oder Job-Verlust für zusätzlichen Stress sorgen.

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Hinter den Haustüren entsteht ein gesellschaftliches Problem, bei dem keiner heute weiß, wie es ausgeht. In den Jugendämtern hat Corona eine Fähigkeit noch wichtiger gemacht als sie ohnehin schon war: Das Gras wachsen hören. Familien, in denen es auch vor der Pandemie oder dem Lockdown schon Stress gab, melden sich nicht unbedingt, wenn Kurzarbeit oder Jobverlust die Situation nochmal verschärft haben. Arbeit nach Aktenlage hilft da nicht, sagt Jüttner-von der Gathen.

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Es wird also weniger gesprochen und das ist schlecht. Fällt diese Informationsquelle weg, besteht die Gefahr, dass eine Familie im eigenen Saft kocht. Dabei ist es so wichtig, dass Jugendarbeiter Situationen rechtzeitig erkennen, um sie zu entschärfen. Sie gehen beispielsweise in die Familien und trainieren mit den Eltern, wie man Probleme in den Griff kriegt.

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Umso wichtiger ist es, dass die zuständigen Stellen sofort erfahren, wenn eine schwierige Familien-Situation noch schwieriger wird. Da sind wir alle gefragt, denn wenn es zu spät ist zum Helfen, hilft oft nur noch, ein Kind aus der Familie herauszunehmen.

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