Erzeugerpreise - Verbraucherpreise

Chefsache Dumpingpreise für Lebensmittel

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Spannender Termin heute im Bundeskanzleramt: Kanzlerin Angela Merkel hat die Dumpingpreise der Lebensmittel-Discounter zur Chefsache erklärt und Vertreter der Branchen-Riesen Aldi, Lidl, Rewe und Edeka nach Berlin zitiert. Mit dabei: Bundeslandwirtschaftministerin Julia Klöckner. Sie hat schon beim Bauerngipfel im Dezember zu vestehen gegeben, dass sie eine andere Preispolitik erwartet.

Vertreter der Landwirtschaft nicht dabei

Anders als im Dezember sind die Landwirte diesmal nicht vertreten. Das sorgt für Unbehagen. Kathrin Feldkamp aus Steinfurt von der Aktion "Land schafft Verbindung" sagt: "Jetzt wird wieder mal über uns gesprochen statt mit uns." Dabei geht es vor allem um faire Erzeugerpreise, damit die Bauern kostendeckend produzieren können. Sowas sollten nicht nur Politiker und Wirtschaftsleute besprechen. Da wären Bauern mit ihrem Blick für die Praxis hilfreich.

Bauern haben sich Gehör verschafft

Auch, wenn sie diesmal nicht dabei sind: Vieles, was jetzt geht, ist Folge der Bauernproteste der letzten Wochen. Kilometerlange Staus durch Trecker-Konvois und Sternfahrten nach Berlin haben für die meisten Schlagzeilen gesorgt. Doch auch auf vielen anderen Ebenen waren und sind die Bauern aktiv. Die Diskussion wurde mehr und mehr auf der Sachebene geführt. Die Aktion "Land schafft Verbindung", beispielsweise, öffnet die Tore der Betriebe und lädt Jeden, den es interessiert, zu Ortsterminen und Besichtigungen ein. "Die Verbraucher wurden die letzten Jahre nicht mitgenommen," sagt Kathrin Feldkamp und fragt: "Woher sollen sie wissen, wie es in den Ställen aussieht?"

Hauptziel: Anerkennung und faire Preise

Landwirte heute sind offener und gesprächsbereiter als noch vor ein paar Jahren. Transparenz schafft Vertrauen. Bestes Beispiel: Ein Ortstermin für RADIO RST bei Schweinehalter Andreas Puckert in Saerbeck stand innerhalb von fünf Minuten - keine Chance, da noch irgendwas vorzubereiten, aufzuräumen oder wegzuschaffen.

Stand der Technik im Schweinestall

Andreas Puckert hat in seinem Betrieb 1.100 Mastplätze - "völlig normale Größenordnung heutzutage," sagt er. Sein modernster Stall ist gerade mal zwei Jahre alt - Stand der Technik. Die Tiere haben dort 10% mehr Platz als vom Gesetzgeber vorgeschrieben - "für's Tierwohl," sagt Puckert. Gleichzeitig ist ihm bewusst, dass das weit weg ist von den Plänen der NRW-Landesregierung für den "Schweinestall der Zukunft".

In Zukunft noch mehr verlangt

Der "Schweinestall der Zukunft" hat von allem mehr: mehr Licht, mehr Luft, mehr Platz und vor allem: Zeitvertreib. Der "Schweinestall der Zukunft" bietet den Tieren Spielflächen, um ihren Wühltrieb auszuleben. So sehen es die neuesten Pläne der NRW-Landesregierung vor. Klare Ziele dabei: Den Schweinen geht es besser, Umwelt und Klima auch und die moderne Massentierhaltung käme wohl auch gesellschaftlich besser an. Im Sommer kommt schrittweise schon mal die geplante Tiergesundheitsdatenbank für NRW. Puckert begrüßt das - auch die geplante Datenbank.

Neue Auflagen schon unterwegs

Gleichzeitig geht es Andreas Puckert wie vielen seiner Kollegen, die gerade erst modernisiert haben: Der Beton ist noch nicht trocken - schon kommen neue Auflagen. Doch wer eine Investition über 20 Jahre finanziert, baut nicht nochmal eben um oder neu. "Da macht auch die Bank nicht mit," sagt Puckert, "selbst, wenn der Verbraucher oder die Supermärkte auf einmal mehr zahlen - sowas braucht Zeit." Auch darum haben die Bauern protestiert: Erst Hü, dann Hott in der Politik, geht nicht, wenn man langfristig plant.

Proteste falsch verstanden?

Neuen Gesprächsbedarf schafft die Einigung von Union und SPD, den Bauern in den nächsten Jahren eine Milliarde €uro zu geben. "Um Geld vom Staat haben wir nicht gebeten", sagt Puckert, abgesehen davon, dass das bei 266.000 landwirtschafltichen Betrieben in ganz Deutschland ein Tropfen auf den heißen Stein wäre - gerade mal 940 €uro pro Betrieb. Bedenkt man, dass ein Güllefass zwischen zehn- und hunderttausend €uro kostet, je nach Hersteller, fragt man sich, wie das gedacht ist.


"Bauernmilliarde" schafft neuen Argwohn

Viele Bauern finden es fadenscheinig, vor allem, wenn CSU-Chef Söder die „Bauernmilliarde“ auch noch als "Signal der Wertschätzung in schwierigen Zeiten" verkauft. Zufällig nach den ganzen Protesten der letzten Zeit. Puckert fürchtet, dass es dann wieder heißt, "den Bauern wird das Geld hinterher geworfen". Die Milliarde soll die Politik seiner Meinung nach lieber woanders investieren.

"Mit einer Milliarde baut man die Landwirtschaft nicht um"

Puckert geht es um was ganz anderes als um Geld vom Staat: um Anerkennung für seinen Berufsstand und ein Umdenken in Politik und Gesellschaft - Wertschätzung eben, nur nicht so, wie von Söder gemeint. Kathin Feldkamp stimmt ihm zu: "Im Grunde genommen haben die Meisten verstanden, worum es geht. Nur wenn die jetzt schon wieder eine Milliarde in die Landwirtschaft stecken wollen, haben die nicht verstanden, warum wir auf die Straße gegangen sind. Uns ging es darum, die Ideologie, die in der Politik vertreten ist, abzuschaffen."

Praxisnähe gefordert

"Wir machen das ja nicht zum Spaß, weil wir gerade im Winter Zeit haben," sagt Feldkamp. Für viele gehe es um die Existenz. Da wünsche man sich eine praxisorientierte und reelle Agrarpolitik - und Fachleute mit am Tisch.

Alles spielt zusammen

Wer mit Leuten aus der Branche spricht, wie Kathrin Feldkamp und Andreas Puckert, versteht, wie sehr alles zusammenhängt. Eine Branche im Umbruch braucht Verlässlichkeit - vor allem in der Politik, wenn es um Richtlinien geht. Das bedeutet Planungssicherheit. Faire Preise von den Discountern allein zu erwarten, ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite sind wir Verbraucher und unser Kaufverhalten. Antreten zum Rapport bei Merkel bleibt spannend - und vage, wie alles in der Politik. Wofür und wogegen jeder von uns an der Theke entscheidet, ist dagegen sehr konkret.

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