Besuch in der Praxis von Dr. Grützner in Wettringen

Wie geht es den Praxen in der Region? Wie zufrieden bist du mit der Impfsituation? Was läuft gut, was geht besser? Unsere Reporterin Kati hat die Praxis von Herrn Dr. Grützner in Wettringen besucht.

© RADIO RST

Es ist kurz vor 9 Uhr und in der Praxis von Dr. Grützner in Wettringen ist der Betrieb angelaufen. Im Wartezimmer sitzen die ersten Patientinnen und Patienten, am Empfangstresen sitzen zwei medizinische Fachangestellte. Sie wirken beschäftigt, nehmen Telefonate entgegen, tippen auf ihren Tastaturen. Ich werde freundlich begrüßt und von Herrn Grützner in ein leeres Behandlungszimmer geführt.

Ich bin hier, um mit ihm über die Impfsituation und die Impfpolitik zu sprechen. Er hat schon im Frühjahr einen Brandbrief an Bundesgesundheitsminister Spahn geschrieben. Hauptkritikpunkte waren die mangelnden Lieferungen von Impfstoff und der Vorwurf der Wahlkampftaktik. Spahn hatte bei der Bundespressekonferenz davon gesprochen, den Abstand zur Zweitimpfung bei Astrazeneca deutlich zu verkürzen. Seine Begründung dazu ist, dass so der Sommerurlaub für mehr Menschen möglich ist. Aus Sicht von Dr. Grützner unverantwortlich. Denn die Wirksamkeit wird bei einem kürzeren Impfabstand deutlich verringert.

Seit seinem Brandbrief im Frühjahr sind einige Wochen und Monate vergangen. Mittlerweile hat die Praxis genug Impfstoff. "Das liegt allerdings auch an unserem Management und einem kleinen Puffer, den wir uns angelegt haben", betont er.

"Wie bewerten sie die Deltavariante in der Region? Was kommt auf uns zu?", frage ich ihn.

"Ich beobachte schon, dass mehr Fälle dieser Variante in der Region auftreten, deshalb gehe ich davon aus, dass die Variante auch in Zukunft noch deutlich mehr auftritt. Große Sorgen mache ich mir deshalb nicht. Wir haben hier im Kreis Steinfurt eine Impfquote von fast 40 Prozent. Wer vollständig geimpft ist, ist auch vor den Mutationen gut geschützt. Da kommt es auch nicht darauf an, mit welchem Impfstoff gearbeitet wurde."

"Wie belastend ist die Impfsituation denn für das Team ihrer Praxis?"

"Am Anfang haben viele Menschen anrufen, weil sie unbedingt geimpft werden wollten. Das war schon belastend. Mittlerweile hat sich das Problem gewandelt. Wir haben genug Impfstoff und eigentlich ein sehr gutes System mit Wartelisten. Die Herausforderung ist jetzt, dass viele Menschen auf sehr vielen verschiedenen Listen in verschiedensten Praxen stehen. Viele sagen uns dann leider nicht Bescheid, wenn sie in einer anderen Praxis geimpft wurden. Besonders für meine Frau bedeutet das einen hohen Verwaltungsaufwand. Sie verbringt sehr viel Zeit am Wochenende damit, herumzutelefonieren und zu fragen, wer überhaupt noch einen Impftermin braucht."

"Was würden sie sich denn von der Politik und den Patienten wünschen?"

"Das Leben ist kein Wunschkonzert, wir müssen mit der Situation klarkommen, doch uns wäre sehr geholfen, wenn die Patienten uns informieren, sobald sie geimpft sind."

Für Herrn Grützner warten nun die Sprechstundentermine, ich möchte noch ein bisschen Alltag von den medizinischen Fachangestellten mitbekommen. Herr Grützner warnt mich vor: "Nehmen sie den Fachangestellten ihre ein bisschen grobe Art nicht krumm, sie haben sehr viel Stress momentan." Ich nicke und bewege mich zum Empfangsbereich.

Am PC sitzt Herrn Grützners Frau, neben ihr eine Kollegin. "Gerade ist es sehr ruhig", kommentiert Frau Grützner. Das Telefon klingelt, eine ältere Dame wird am Arm gestützt in ein Behandlungszimmer gebracht. "Ich verbringe ganze Nachmittage und das Wochenende damit, die Impftermine zu koordinieren. An einem der ersten Wochenenden habe ich bei über 200 Patienten von uns angerufen. Viele waren schon geimpft und hatten vergessen, uns zu informieren. Immer donnerstags bekommen wir Bescheid, wie viel Impfstoff wir geliefert bekommen. Dann muss es schnell gehen."

"Bleibt denn überhaupt noch Zeit für die Familie am Ende des Tages?", frage ich Frau Grützner.

Sie lacht: "Nicht wirklich, damit müssen wir jetzt einfach klarkommen. Irgendwie gilt es jetzt die Zeit zu überstehen. Immer wenn die Politik sich was Neues zu den Impfabständen überlegt, laufen hier die Leitungen heiß. Die Leute fragen nicht nach einem Impftermin, sie befehlen und wenn wir nicht gehorchen, fallen auch schon mal Beschimpfungen."

Ich verlasse die Praxis und komme zwei Stunden später wieder. Dann geht es mit den Impfungen los.

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Ich betrete die Praxis zum zweiten Mal an diesem Tag und wieder werde ich freundlich begrüßt. "Die ersten Termine kommen gleich, als sie draußen waren, wurde es hier gerade noch mal richtig voll." Die nette medizinische Fachangestellte druckt parallel ein Rezept aus, wirft einen Blick ins Wartezimmer.

Plötzlich öffnet sich die Tür und es kommen vier Menschen gleichzeitig herein. Zwei Impftermine, ein Herr, der ein Rezept braucht und eine Frau, die den Krankenkassenausweis ihrer Mutter bringt. Herr Grützner verteilt die Impftermine auf Wartezimmer und Behandlungsräume.

"Ein großes Problem, welches wir hier haben, ist der Platz," sagt mir Frau Grützner. Wir brauchen Platz für die Menschen, die warten, die Impftermine und zusätzlich für die 15 Minuten nach der Impfung." Wieder klingelt das Telefon, ein älterer Herr möchte nicht still im Behandlungsraum warten und wandert immer wieder heraus in den Flur. Wieder öffnet sich die Tür und es kommen Menschen hinein.

Herr Grützner, mit dem ich zwischendurch noch mal spreche, erzählt mir von einem anderen Problem, den Crossimpfungen. Er habe Verständnis für junge Frauen, die zuerst mit Astrazeneca geimpft wurden und jetzt lieber Biontech möchten. Für alle anderen nicht. "Ein über 50 Jähriger Mann bekommt bei uns eher keine Crossimpfung mit Biontech", sagt er. Er begründet, dass die Zweitimpfung mit dem Erstimpfstoff auch eine gute Wirksamkeit habe. "Unser Ziel ist ja, das möglichst niemand mehr auf der Intensivstation landet, das geht auch ohne Crossimpfung."

Außerdem möchten viele, die ihren Ersttermin im Impfzentrum oder bei einem anderen Arzt hatten, ihren Zweittermin auf jeden Fall beim eigenen Hausarzt haben. Auch das bedeutet Zeit, welche in der Praxis knapp bemessen ist. Frau Grützner vereinbar beim Ersttermin direkt den zweiten mit, obwohl sie nicht sicher weiß, ob genug Impfstoff da sein wird. Kommen jetzt noch externe Patienten dazu, fällt es schwer, nicht im Chaos zu versinken.

Wartezimmer, Behandlungs- und Empfangsbereich füllen sich, ich verlasse die Praxis.

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